Rokoko
JLM 03 . 1786
Empire
Biedermeier
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Quelle: Journal des Luxus und der Moden . März, 1786
V. Männliche Kleidung, und zwar das Negligé.
Das männliche Negligé, oder, um uns des rechten Kunstworts zu bedienen, der Mann en Chenille, ist wie wir schon im vorigen Stücke sagten, eigentlich die männliche Mode-Puppe; weil das Negligé keine conventionelle Etikette voraussetzt, und jedem Erdensohne volle Freyheit läßt,
sich nach eigener Phantasie, Wahl und Laune, geschmackvoll oder geschmacklos, anständig und schön, oder geckehaft und lächerlich zu kleiden. Daher wechseln auch die Moden bey diesem Anzuge so schnell als bey dem weiblichen nimmermehr; und der Petitmaitre ist gewöhnlich die Mustercharte, auf der alle zuerst,
buntkraus durcheinander, erscheinen, und aus welchen nun der solidere Mann die für ihn passenden, anständigen und bequemen wählt. Es giebt für das Auge des Kenners eine Physiognomik des männlichen Anzugs, die vielleicht sicherere Schlüsse auf Charakter, Sitte, Denk- und Handlungsart erlaubt,
als die Formen der Strin, Nase, Mund, Kinn u.s.w. die häufig durch Zufall gelitten haben, und also ein falsches Schild von dem Bewohner am Hause aushängen. Oft ist der Huth (wenn eine uniform ihm nicht den Schnitt giebt) die Form, die Art wie der mann ihn setzt, trägt und hält, ein ziemlich treuer Spiegel
des Gehirns, das er deckt. Kurz die Charakteristik der Trachten und Kleidungsarten ist ein Artikel über den wir in der Folge noch sehr Vieles zu sagen haben werden, wenn wir uns erst den Stoff dazu vorgearbeitet haben.
Wir wollen, um vollständig zu seyn, das ganze männliche Negligé, wie oben im Jänner die Weibliche Kleidung, Stück für Stück durchgehen, oder den Mann en chenille vom Huthe bis zum Absatze mustern, und in jedem Artikel zeigen, was dermalen neueste Mode ist.
Der Mann ist en Negligé, sobald er im Frack oder Surtout, und zu seinen täglichen Arbeiten Geschäften bequem gekleidet ist. Den besten und vernünftigsten Sinn hierinn haben immer die Engländer, und sie sind es eigentlich von denen wir nur Geschmack und Moden in dieser Tracht annehmen sollten.
Doch davon weiter unten noch ein Paar Worte; und jetzt zu unserer Liste.
1.Huth.
Man trägt zum Negligé, sowohl dreyeckige als auch runde Hüthe. Der neueste dreyeckige Huth ist der schon oben (S.51.) angezeigte Huth á l’Androsmane, wie ihn die Figur auf Taf. IX. zeigt. Er hat keinen sehr hohen Kopf; die Hinter-Krämpe ist 6 Zoll 9 Linien (Pariser Maas) und die beyden Seiten-Krämpen 6 Zoll 3 Lin. hoch; die beyden Ecken 5 Zoll und die vordere Spitze 4 Zoll 6 Linien tief; an der Seite einen großen platten seidnen Knopf, um welches ein Fingerbreites schwarzseidnes Band in Form eines V, als Agraffe, doppelt gesetzt wird *).
Der runde oder sogenannte Jockey-Huth, ist Englisch, und wird eigentlich nur zu Stiefeln getragen. Er hat einen hohen und platten Kopf ohngefähr 5 Pariser Zoll hoch, und eine nur 3 Zoll 6 bis 9 Lin. breite Krämpe, die an beyden Seiten ganz leicht mit ein Paar seidnen Schnüren geheftet ist, so dass sie ein wenig steigt, und vorn und hinten ein wenig herunter fällt. Um den Kopf trägt man gewöhnlich ein schwarzes Band mit einer schönen Stahl-Schnalle. Dieser Huth ist bequem zum Reiten und Reisen, sitzt fest auf dem Kopf, und ist – da doch einmal die europäische Sitte will, dass der Mann durch das beschwerliche Abnehmen des Huthes grüßen muß – geschickter zum Abnehmen als die großen Quacker-Hüthe, die man mit Einer Hand nie abnehmen kann, der Wind, der sich in die Seegel der lappen herunterhängenden Krämpe legt, leicht abwirft, und die unsern jungen Leuten, die sich sonderlich darein verliebt zu haben scheinen, ein nachtheiliges lüderliches Ansehn geben.
*) Hüthe à l`Androsmane sowohl als Jockey-Hüthe sind, nebst den neuesten in diesem Artikel angeführten Gillets, Strümpfen u.s.w. allhier dem Kaufmanne Hr. Hoh. Christoph Jacob Paulsen zu haben. In Ansehung der Hüthe darf man ihm nur die Weite des Kopfs einschicken, und die Qualität des Huths bestimmen.
2.Wäsche.
Glatte feine Battist-Manschetten und eine sogenannte Englisch dicke Halsbinde von Mousseline, oder ein weißes dreyeckiges Halstuch von Battist, von dessen zwey zipfeln man eine kleine Schleife unter dem Kinn bindet, trägt man in England und Frankreich zum Negligé. Spitzen gehören nur zum vollen Anzuge, oder höchstens zum frac habillé, oder geputzten Frack.
3.Frack.
Den Frack haben wir, wie gedacht, den Engländern zu verdanken. Er ist vermöge seiner Simplicität, knappen Aermel, Kragen, vielen Taschen, bequemen Zuknöpfens und Anschliepens an den Leib, der schickliche und bequemste Rock zum männlichen Alltags-Leben, Geschäften und Reisen. Indessen haben die Franzosen, denen immer die Englische sehr vernünftige und zweckmäßige Simplicität zu simpel ist, auf mancherley Art daran gekünstelt, und ihn meistens verdorben. Bald machten sie ihn zu kurz, bald zu lang, bald gaben sie ihm einen so übertriebenen Ausschnitte, daß er kaum auf der Brust durch einen ängstlichen Heft zusammenhieng, den Unterleib, den eigentlich der Frack bedecken und warm halten soll, ganz unbedeckt ließ, und dem, der ihn trug, das lächerliche Ansehen eines Luftspringers gab; und die Teutschen Schneider trugen, durch ihren Schneider-Witz, noch überdieß alles Mögliche bey, ihn zu verhunzen. Endlich ist man, auch in Frankreich, zu der ersten und vernünftigen Form zurück gekommen, und hat ihn wieder die gehörige Weite gegeben, so daß man ihn entweder mit drey bis vier Knöpfen über dem Magen und auf der Brust zuknöpfen, oder mit Revers und doppelten Knöpfen über einanderschlagen kann. Taf.IX. zeigt eine ganz gute Form davon. Man trägt zu Fracks anjetzt gewöhnlich dunkle, und aus zwey bis drey Fraben melirte Tücher, z.E. Verd de Bouteille, Cul de Bouteille; Bronze; da quatre couleurs, bronze, aurore, violet & gros verd. &c. weil diese für den Staub und andere Spuren der Alltags-Geschäfte eines Mannes weniger delikat sind, als einfarbige udn helle; ferner in Frankreich, sehr große Knöpfe von Perlenmutter oder Stahl, mit Chiffren.
In Frankreich hat man zwischen diese Art von Alltags- und Geschäfts-Kleidung, und den vollen männlichen Anzug, noch eine Mittel-Tracht, nemlich den frac habille, (geputzten Frack) gesetzt; und ihn zu einer eleganten männlichen Morgen- oder Bal-Kliedung und dergl. bestimmt. Man hat sie sowohl in Seide als auch reich gestickt, und man trägt nie ein Gillet, sondern immer eine kurze reiche Veste darunter.
Alle Fracks sond anjetzt weiß gefüttert.
4. Gillets.
Das Gillet ist jetzt die Mode-Tracht zum Frack, als zu welchen man (den frac habillé ausgenommen) keine ordinären Vesten mehr trägt. Auch dies ist Englisch und vernünftig; denn da das Gillet durchaus doppelt übereinander geht, unter dem Bauche fest auf der Hose anschließt, so hält es den Unter Leib warm, und giebt der ganzen tracht ein gewisses leichtes und geschäftiges Ansehn. Man trägt anjetzt Gillets fast aller Art Zeuchen, Gewebe und Farben, nach der Saison und Geschmack der Liebhaber, von Velour satiné, langhaarichten bunten Plüchen, gestreiften Atlas, mit weißbordirten Knopflöchern, von gros de florence und reichgestickt, von gestreiften Mousselinen, Englischen wollenen, und baumwollenen Zeichen gestrickt und gewebt; u.s.w.
Die neuesten von Mode sind seidne Fingerbreit gestreifte, bronze und queue de serin, gros verd und queue de serin, violet und queue de serin, dunkelblau und grün; oder schwarz mit grünen Blumen, und weißen en feston gestickten Knopflöchern (Taf. IX.) auch reich gestickt.
Die Franzosen zeigen auch hierbey daß es ihnen unmöglich ist, die raisonnirte Tracht eines Engländers nachzuahmen ohne sie zu übertreiben. Der Engländer trägt sein Gillet als das was es seyn soll, ein bequemes Camisol, von einem feinen und weichen wollenen, baumwollenen oder dicken seidnen Zeuche, mit kelinen weißen silberplattirten Knöpfen; in dem er nicht geputzt, nur reichlich und bequem angezogen seyn will. Der Franzos stickt es mit Seide, Folie, Lahn und Steinen, und putzt sich drein; und nun ist Zweck und Bequemlichkeit davon verlohren.
5.Hosen.
Man hat anjetzt schwefelgelbe etwas knapp anliegende Hosen zur Mode für das Negligé gewählt. Diese haben an der Seite nur drey kleine silberplattierte Knöpfe, und sind entweder auch mit gelben Bändern gebunden, oder man trägt dazu sogenannte King´s patents, oder Englische plattirte Knieschnallen ohne Dornen, mit bloßen Wiederhaken, die ganz bequem sind. (Taf. IX.)
6.Strümpfe.
Es ist kein Vorurtheil, daß sich weiße Strümpfe, die so vielen Unfällen unterworfen sind, zum Frack als Alltags- und Geschäftskleidung weniger schicken, als graue oder mit Farben melirte, die weniger schmutzen. Man trägt daher auch die sogenannten pas de fantaisie, oder buntgestreifte und melierte zum Negligé. Folgende sind von neuester Mode:
gestreifte, weiß und boue de Paris meliert.
Violet und dunkelgrün meliert.
Violet und boue de Paris melirt.
Grün und boue de Paris melirt.
Weiß mit blau gestreift.
Zum frac habillé gehören immer weiße Strümpfe.
7. Schuhe.
man bindet zwar, so wie die Hosen, auch die Schuhe anjetzt mit schwarzen Bändern statt der Schnallen; allein blos zur ganz nachläßigen Morgentracht, oder auf der Reise, wo man sich eigentlich jede Art von Bequemlichkeit erlaubt. Beydes ist aus der alten Französischen National-Tracht wieder aufgenommen, kleidet aber einen Mann nicht gut, und diese Mode wird nicht lange dauern.
Eben so wenig können die neuesten lang ovalen silbernen Mode-Schnallen, die man jetzt in Paris zum Frack trägt (Taf. IX.) lange dauern, weil sie der Länge nach auf dem Fuße liegen, gerade wo er sich im Gehen beugt, und ihn nothwendig drücken müssen.
Zu diesen Schnallen trägt man auche Schuhe mit etwas abgestutzter eckigter Spitze (à pointe carrée). Wäre es nicht bloße Mode-Affektion, so könnte diese Form des Schuhes, welche die Zeen weniger zusammenquetscht als die engen spitzigen Shcuhe, dem Fuße sehr wohltuhn. Uebrigens trägt man die Schuhe wieder mit hohem Quartier und nicht weit ausgeschnitten.
8. Ober-Rock.
Man trägt den Ober-Rock über dem Frack meistens der Wärme wegen. Der Engländer, der nie einen Pelz führt, trägt im Winter den Ober-Rock von Bieber oder Halb-Vigogne, und im Sommer von Tuche. In Frankreich trägt man die Surtouts meistens von Tuche; und die neuesten Mode-Surtouts, sind anjetzt 1) von Scharlach mit schwarzen Sammt-Kragen, 2) von dunkelblauen Tuche mit glatten gleichfarbigen Kameelhärnen Knöpfen; 3) von hellblau, grün oder grauen Tuche mit schwarzen Queer-Streifen.
Ausser den Surtouts trägt man auch noch in Frankreich die sogenannten Redingottes, oder - wie sie nach ihrem Englischen Urnamen eigentlich heissen sollten - Riding-Coats, Reit-Röcke; in Form eines Priester-Rocks weit und lang bis auf die Knorrn herab. Sie sind aner blos bequem zum Fahren, im Sommer von Tafft oder leinwand, als Staub-Mäntel, und im Winter von Tuch, der Wärme wegen.
9.Stock.
Zum vollen Anzuge des Mannes gehört der Degen, und zum Negligé der Stock. Ein großes und starkes Rohr trägt man nur auf dem Lande, und wenn man weite Promenaden zu Fuße macht, in der Stadt aber erlaubt die Mode nur die dünnere Badine. Die neuesten Mode-Badinen die man jetzt trägt sind von Bambus oder Wangée-Rohre, mit Elfenbein oder goldnem Knopfe. Ostindien ist das Vaterland von beyden Rohren, die aber sehr wesentlich verschieden sind. Das Bambus-Roht hat nemlich runde Knoten und Schosse, und ist sehr zähe und biegsam; das Wangée (Wangschi) hingegen hat (Taf. IX.) am dicken Theile erst etliche runde Knoten und kurze Glieder, dann aber Schosse, die sich immer mehr verlängern, und abwechseln, auf einer Seite haöbrund und auf der anderen platt und canneliert sind; welches einer solchen Badine ein sehr artiges Ansehn biebt. Ueberdieß ist das Wangée-Rohr steif und leicht zerbrechlich, deshalb man auch, der Dauer wegebm meistens dünne Degenklingen darin trägt.
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Das Bildmaterial aus dem »Journal des Luxus und der Moden« mit freund- licher Unterstützung zur Verfügung gestellt durch:
März 1786, Tafel IX.
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