Rokoko
JLM 01 . 1786
Empire
Biedermeier
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Quelle: Journal des Luxus und der Moden . Januar, 1786
I. Weibliche Kleidung
Um einen festen Standpunkt zu gewinnen, von dem wir ausgehen, und dann in der Folge die einzelnen Stücke der neuesten Moden in der weiblichen Kleidung fortsetzen können, wollen wir hier die ganze weibliche Tracht,
so wie sie jetzt in Paris von neuester Mode ist, durchgehen.
1. Haarputz. Man trägt überhaupt die Haare sehr ins Gesicht hereingezogen. Der Kopf ist á l´Ingenue und en Herisson á crochets frisiert. Zwei große Seitenlocken sind gewöhnlich. Oft schlägt man auch die Haare in keinen Chignon aus, sondern läßt sie ganz frey auf den Rücken á la Conseillère fliegen.
2. Hüthe, trägt man jetzt außerordentlich groß, und zu jedem Anzuge, nur nicht zur grande praure; häuffig Stroh-Hüthe mit hohem Kopfe, mit farbigem Bande eingefaßt; um den Kopf ein oder zwey dergleichen breite Bänder;
oder eine dicke Binde von Farben-Flor, die mit einem Perlen-Knopfe gefaßt, und hinten in eine große Schleife gebunden wird, davon die Enden zwey bis drey Finger breit über den Rand des Huthes herabhängen. Auf der linken Seite eine Touffe von vier kurzen weißen Federn,
aus welchem eine große farbige Schwung-Feder heraussteigt, die Follette oder La Dominante heißt. Meist ist die Garnitur des Huthes von der Farbe des Kleides; außer wenn zwey Mode-Farben wie violet und dunklegrün zusammentreffen.
Auf Hüthen die mit Atlas, Taft oder Flor überzogen sind, trägt man Band, Flor und Blumen, sowohl Guirlanden als einzelne Zweige. Der Huth mit der großen Schleife auf T. II. heißt á la Cherubin. Zum Dèshabillè tragen die Damen gewöhnlcih runde englsiche Castor-Hüthe, oder Jackeys en Ourson, schwarz oder grau, mit hohen und oben platten Köpfe, (à forme carrèe) die Krempe 5 bis 6 Zoll breit; entweder Kopf und Krämpen ganz rauch, oder nur mit einem rauchen Rande. Um jenen wird meistens ein schwarzes Band mit einer brillantierten Stahlschnalle, die an der Seite auf einer großen Band-Rose liegt; am letzteren aber bunte Mode-Bänder mit Schleifen, getragen.
3. Hauben, gehören zur grande parure. Täglich schfatt die plastische Kunst der Pariser Putzmacherinnen nur Formen davon. Jetzt sind Hauben à la Paresseuse, à la Figaro, à la Jeanette, à la Pouf, und à la Laitiere Mode. Band und Blumen sind ihre vorzügliche Dekoration.
4. Blumen, trägt man noch auf Hauben, Hüthen, und in den Haaren; aber alle fein, und nach Natur gearbeitet.
5. Um den Hals, entweder eine bloße seidene Schnur, daran ein Medaillon auf den Busen herabhängt, oder ein bloßes schmales farbiges Bändchen.
6. Halstuch. Man ist jetzt zu Paris im Geschmack der großen Halstücher von feinem Cammertuche, oder Linon, die oft zwey bis drey Kragen oder Ganituren haben, davon die unterste weit über die Achseln herabhängt.
7. Kleid. Robes und fourreau; à la Levite, à la Turque, à la Circassisne, und à la Janseniste, sind noch Mode, und alle Garnierungen darauf äußersteinafch; z.E. à la Jeanette, blos mit einem weißen Rande eingefaßt.
Sowohl unter der Robe longue als dem fourreau wird ein Rock von anderer Farbe, z.E. von Musseline oder Atlas getragen; zum fourreau eine Schürze von Cammertuch, rundherum damit garnirt; oder von Musseline, unten mit 3 Falten; eine über der anderen.
Schärpen trägt man jetzt mehr von Flor, als noch von Bande. Sie werden über der Hüfte in eine große Schleife gebunden, und hängen hinterwärts zur Wade herab.
8.Pelz. Fast alle Damen-Pelze die man jetzt zu Paris sieht sind mit Marder-Schwänzen aufgeschlagen, um Hals und Arme doppelt besetzt, und haben weite Halbärmel und etwas Taille; wie z.E. die Figur T. II. trägt. Die schönen langhaarigen weißen Müffe von Angora-Ziege sind allgemein Mode. Die Damen tragen 2 farbige Band-Schleifen darauf.
9. Schuhe, werden jetzt im Winter von rosa oder weißem Atlas, mit rosa Band-Rosen von Mode-Farbe des Rocks oder des Kleides getragen. Kein Damen-Schuh wird mehr geschnallt, sondern entweder mit Band-Rosen oder blos queer über dem breiten Bande garnirt, à la Jeanette, getragen; oder es werden lange schmale Stein-Schnallen, ohne Herz und Dorn, die Charnieren haben, und sich sehr bequem an den Fuß legen, darauf genäht.
Wir müssen hirbey der sogenannten chinesischen Schuhe gedenken, die jetzt auch Mode sind. Sie sind ausserordentlich weit ausgeschnitten, queer über mit einem Bande garnirt, ahben sehr hohe Spitzen und breite niedere Absätze. Sie heißen eigentlich Sabots Chinois.
10. Bouffantes und Culs des Paris (oder eigentlich Culs de crin) werden nicht mehr getragen.
11. Bänder richten sich immer nach den Mode-Farben. Die neuesten Mode-Farben sind jetzt
Queue de Serin. (Canarien-Vogel-Schwanz.)
Souffre tendre. (Blaß Schwefelgelb.)
Gros verd. (Dunkelgrün.)
Violet d´Eveque. (Röthlich Violet.)
Eben solche Bänder werden auch getragen; entweder Couleur uni, oder mit obigen 3 Haupt-Farben, nemlich queue de serin, gros verd und violet d´Eveque, gestreift.
12. Mode-Stoffe. Die neuesten Winter-Zeuge zu Damens-Kleider sind entweder
a)zu reichen Roben, Velours satinè, mit gleich breiten wechselnden Sammt-und Atlas-Streifen und Farben; nemlich violet und souci; verd und souci;
oder
b) Atlasse, theils uni von obigen Mode-Farben; oder meliert und glaciert.
a) Robe à la Turque. Wir verpsrachen im vorigem Monats-Stücke unsern Leserinnen die Zeichnung und Beschreibung der neuen Robe à la Turque,
so wie man sie jetzt zu Paris trägt, und entledigen uns hiermit durch Taf.VIII. unserer Schuld. Wenn wir dem Hrn. Redacteur des Cabinet des Modes - der, in Parenthesi gesagt,
auf Unfehlbarkeit seines Tribunals eben nicht stolz zu seyn Ursach hat - glauben wollen, so geht nichst über eine Robe à la Turque;
ja sie muß ein eigner Talisman seyn, der eine schöne frau zur Selbstherrscherin aller Herzen macht. Dans une robe à la Turque - bricht er in einer Art von Extase aus - une jolie femme,
soit ou Spectacle, ou dans un Cercle, Remporte des triomphes plus surs et plus agreables, que ceux d´une Géorginne ou Circassine dans les Harems de Constantinople. Il n´est pas même de Sultane,
qui ne fut jalouse de sons élégance, de sa grace, & des hommages qu´on lui rend. Dies ist mit sener Erlaubnis, ein sehr plattes und linkes Compliment,
das er unsern westlichen Europäischen Damen macht; und und ohne uns in die Analyse davon weiter einzulassen, wollen wir letzteren lieber, als treue Referenten, das Rezept zu einer Robe à la Turque ächt und unverfälscht liefern.
Corset und Rock (Taf. VIII.) sind von weißem Atlas oder Taft. Die Falbala des Rocks macht ein vierfaches Nacarat-Band, so wie die Garnierung des Rocks auch aus Nacarat-Band-Schleifen besteht,
in welchem drey Blumen-Festons von grünem Feuillage und blassen Lilas-Blumen hängen.
Die Robe ist aus Navarat-Atlas oder Taft mit weißem Futter, mit einer Bordüre au Cardinal blanchi, und einer vorspringenden Garnierung von ebenfalls grünem feuillage und blassen Lilas-Blumen,
die sich bis hinauf zur Brust-Schleife immer verschmälert, auf der Kante besetzt. Die Ärmelder Robe gehen nur bis auf den halben Ober-Arm; die Paremens der weißen Corset-Aermel hingegen sind Nacarat, wie dir Robe.
Das Halstuch ist von Flor und garnirt und mit einer blas Lilas-Schleife gefaßt. Man trug auch Roben à la Turque zur grande parure, von Sammt von verschiedenen Farben, mit Atlas gefüttert, und mit Atlas-Rocke von einer abstechenden Farbe.
Alter der Culs de Paris.
Ein Pariser Correspondent setzt die Erfindung und Mode der Culs de Paris (oder richtiger Culs de Crin) weit früher hinaus als man glaubte; und thut aus Belegen dar, daß man schon ums Jahr 1529. in Frankreich Culs de laine et de bourre getragen habe. Saint - Foix *) erzählt ins einen Essais sur Paris, daß schon unter König Francois II die Männer in einem großen Bauche und die Damen in einem großen St- ein gewisses Ansehn von Würde und Majestät gefunden, und jene also große faslche Bäuche, letztere aber diche faslche St- getragen hätten.
Aber schon dreyßig Jahre zuvor, denn Franz II: bestieg erst 1559 den Thron) erschienen ein Paar sehr freye und schmutzige Satyren, über die neumodischen Reifröcke, Vertugalen, Basquinen und Culs, im Druck; die eine unter dem Titel: La Complainte de Monsieur le Cul, contre les inventeurs des Vertugales, und die andere: Reponse de la Vertugale à Monsieur le Cul; woraus sich die schon damals im Schwunge gehende Mode der Culs bestättigte.
*) Essais Historiq. sur Paris. Part. 4. p.22.
Uebrigens hat auch diese Mode schon ihr Ende erreicht; den bereits in der Mitte des vorigen Jahres trug man in Paris keine Couls und Bouffanten mehr.
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Das Bildmaterial aus dem »Journal des Luxus und der Moden« mit freund- licher Unterstützung zur Verfügung gestellt durch:
Januar 1786, Tafel II.
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